Es gibt inzwischen zur Trauma-Arbeit neuere
Veröffentlichungen von Bettina Egger und Jörg Merz, z.B. in
ihrem Buch LÖSUNGSORIENTIERTE MALTHERAPIE oder auf
www.lom-malen.ch.
und einen
Artikel über
die LOM-Traumaarbeit von Katina Kalpakidou
Bettina Egger:
"Was sehen Sie, Frau Lot?" - "Bilder!" Im dem Moment, in
welchem eine Person traumatisiert wird, erstarrt sie
innerlich zur Salzsäule, die bewusste Bildwahrnehmung reisst
ab. Zurück bleiben starke Gefühle, Bildfetzen, nicht
integrierte Wahrnehmungen, die zu den bekannten Symptomen
der posttraumatischen Belastungsstörung führen.
Untersuchungen mit Affen, die, bewusstlos gemacht, Bildern
ausgesetzt wurden, zeigen, dass auch unbewusst gespeichterte
Bilder erinnert werden, dass auch diese Bilder ihre volle
Wirkung entfalten. Frau Lot wird die gesehenen Bilder immer
in sich tragen, auch wenn sie diese nicht in ihr Bewusstsein
holen kann. Das Verdrängen eines Traumas gleicht einem Film,
der an der schlimmsten Stelle reisst. Dies ist ein
Schutzmechanismus der Psyche, ohne den der Mensch das Grauen
nicht ohne lebensgefährdenden Schaden überstehen könnte.
Wenn wir traumatische Erlebnisse durch Malen bearbeiten
wollen, muss an diese gesehenen, nicht wahrgenommenen Bilder
angeschlossen werden. Sie müssen gemalt werden. Obwohl fast
unerträglich, können nur sie die Erlösung bringen. Solche
Bilder können nicht alleine gemalt werden, die Malenden
müssen durch eine ausgebildete Malleiterin begleitet werden,
denn die nötigen Bilder lösen bei den Malenden so viel Angst
aus, dass sie in der absolut erforderlichen Genauigkeit
nicht alleine durchgestanden werden können. Nur die aus den
Augen der Betroffenen gemalten Bilder wirken so, dass das
Hirn das Bewusstsein wieder einschalten und dadurch auch die
Heilung wahrnehmen kann. Jede Art von Illustration der
erinnerten oder als angemessen empfundenen Gefühle oder der
Szene verstärkt und verfestigt das Trauma! Jahrelanges
"Arbeiten" am Trauma schadet den Betroffenen.
Zusammen mit Jörg Merz, Psychotherapeut in Zürich, habe ich
die Methode des LOM® Lösungsorientiertes Malen, entwickelt.
Diese Methode arbeitet gänzlich vom Bild ausgehend, jedes
psychologische Konzept vermeidend, mit ganz bestimmten
Bildaufgaben an psychischen und physischen Anliegen,
Wünschen, Entscheidungsfragen, Träumen und eben Traumas. Im
LOM® Lösungsorientierten Malen bilden die Werte, die sich
aus den Ansichten über Metapher und Analagie, Form und
Ästhetik als Essenz des Ausdrucks, die Absenz der Bedeutung
der Vergangenheit und das energetische Resonanzprinzip
ergeben, die Grundlagen der Interventionen. Zusammengefasst
münden alle Interventionen in drei Arten von Aufgaben: 1.
Beziehung zum Symptom aufnehmen, 2. Beziehung zum
darunterliegenden Hindernis aufnehmen, 3. Perspektive
schaffen, und einer Form von Malprozess: Liebevolle
Aufmerksamkeit. In diesem Artikel finden Sie einen solchen
Verlauf einer Arbeit mit LOM® Lösungsorientiertem Malen an
einem Beispiel eines Inzest Traumas. Von diesem einen
Beispiel kann aber nicht auf die gesamte, sehr
differenzierte Methode, geschlossen werden. Ein Buch über
LOM® Lösungsorientiertes Malen ist in Vorbereitung.
BEISPIEL
Der erste Schritt der Traumabearbeitung muss ein Bild
sein, das aus den Augen der Betroffenen gemalt wurde. Dabei
muss der Blickwinkel, der sich durch die Augenhöhe (Grösse
des Kindes z.B.) und durch die Nähe gegeben ist, möglichst
genau eingehalten werden. Ob es das richtige Bild ist zeigt
sich daran, dass die Malende davon berührt ist, körperliche
Symptome wie Brechreiz, Husten, Schmerzen spürt, und grossen
Widerstand zeigt, das Bild überhaupt zu malen.
Sophie wusste, dass einmal etwas passiert war. Sie konnte
sich dunkel daran erinnern, dass ihr Grossvater etwas
gemacht hatte. Sie hatte nie darüber gesprochen und sich
dafür geschämt. Da sie sich auch nicht ganz sicher war, ob
sie recht hatte, wollte sie niemanden fälschlich
bezichtigen. Nach den genauen Bildern befragt, erinnerte sie
sich an blaue Überhosen. Während dem Malen zeigte es sich,
dass die Überhose herunter gelassen war, der Penis gesehen
wurde und sie ihn berühren musste. Weitere Erinnerungen
tauchten auf, jedoch ohne die dazugehörigen Bilder, aber
durch schlimme Gefühle und Empfindungen.
Der zweite Schritt
beinhaltet eine erste Distanzierung vom Geschehnis. Das Ziel
der Traumabearbeitung ist ja, dieses unschädlich zu machen,
seine Wirkung aufzulösen. Je weiter weg jemand von einem
Geschehen ist, desto weniger wird er davon berührt. Es gibt
verschiedene Möglichkeiten, diese Distanzierung zu
erreichen: eine davon ist das Geschehnis effektiv von weiter
weg, also kleiner zu malen, eine andere ist, das falsche
Bild in Ordnung zu bringen.
Das Hirn kann nicht zwischen wirklicher Realität und guter
Imitation unterscheiden. Wenn ein Bild in seinem ganzen
Grauen, so wie es ursprünglich gesehen wurde und mit den
begleitenden Gefühlen gemalt wird, bucht das Hirn dieses
Bild unter "erlebt". Ebenfalls kann sich das Hirn nur der
letzten Erinnerung, nicht aber des Originalereignisses
entsinnen. Wenn wir nun eine genügend gute Imitation eines
in Ordnung gebrachten Bildes malen, wird sich dieses immer
über die Erinnerung der Schrecknisse lagern und das Hirn
wird wissen, dass "es in Ordnung gebracht worden ist".
Die Sicht eines kleinen Kindes auf geöffnete Hosen und
die vage Erinnerung an alles, was damit verbunden war, ist
nicht in Ordnung. Es ist in Ordnung, wenn die Hose richtig
angezogen ist. Also bat ich die Sophie, die Hose so über das
erste Bild zu malen, wie es sich gehört.
Der dritte Schritt
dient einer weiteren Distanzierung. Erfahrung hat gezeigt,
dass der Prozess des Begrabens wirksam ist. Im Fall von
Inzest, wenn der Übeltäter oder die Übeltäterin schon
gestorben ist, kann diese Person begraben werden. Wenn sie
noch lebt und die geschändete Person das nicht möchte, kann
eine Metapher für das ganze Geschehnis begraben werden.
Wichtig ist, dass die verschiedenen Stufen des Begrabens mit
Hingabe und langsam gemalt werden, dass keine Stufe
übersprungen wird und dass am Schluss das Grab beschriftet
wird. Der Text auf dem Grabmal soll das Datum der
Beerdigung, den Namen des Übeltäters, der Übeltäterin, oder
eine Überschrift für die Schandtat und einen Satz, der das
Geschehnis befriedet, enthalten.
Sophie entschloss sich, den Grossvater, der schon
gestorben war, zu begraben. In einen offenen Sarg wurde er,
nun ganz klein, hinein gemalt Dann wurde der Sargdeckel
darüber gemalt und verziert. Am Schluss malte Sophie Erde
über den Sarg, bepflanzte das Grab und versah es mit einem
Grabmal. Auf dem Kreuz stehen lediglich der Name,
Geburtsdatum und Todestag des Grossvaters. Das Trauma war
vorbei.
Der vierte Schritt
wird oft vernachlässigt oder ganz vergessen, obwohl er
unbedingt zum Verarbeiten eines Traumas gehört, denn wo es
war, ist es jetzt nicht mehr, es hat eine Lücke
hinterlassen, die gefüllt werden muss: freigesetzte Energie,
die neue Aufgaben finden will.
Es wird geglaubt, dass die Arbeit an einem Trauma Jahre
dauern muss, damit sie wirksam ist. Wenn ein Trauma
innerhalb von einem oder zwei Monaten aufgearbeitet wird,
ist das Grund zum Misstrauen. Erfahrung hat jedoch gezeigt,
dass zwar die "Anlaufzeit", bis sich jemand wirklich ans
Trauma wagt sehr lange sein kann, auch die Arbeit an den
daraus folgenden Gewohnheiten zäh und langwierig sein kann,
dass aber die effektive Traumabearbeitung nur kurz sein
darf, da sie sonst das Trauma verfestigt. Die Malenden
unterliegen derselben Legende und können kaum glauben, dass
es schon vorbei ist. Es hat sie doch so lange begleitet und
gepeinigt!
Wenn anstelle des Traumas nicht etwas Neues tritt, wird das
Trauma unweigerlich wieder aufgewärmt und daher muss das
letzte Bild ein optimistischer Blick in die Zukunft sein.
Die Methode des LOM® Lösungsorientierten Malens bietet
verschiedene Möglichkeiten von Zukunftsmetaphern dafür an.
Als Sophie ihr Trauma bearbeitete, waren diese Möglichkeiten
noch nicht ausgearbeitet.
"Stell Dir vor, wie Du Dich fühlen wirst, wenn einige
Zeit vergangen ist und Du so richtig spürst, dass das Alte
vorbei und Neues möglich ist", bat ich Sophie. Wir sprachen
über neue Möglichkeiten in ihrer Zukunft. Dazu malte sie ein
Selbstportrait.
Ich habe Sophie den Entwurf dieses Artikels geschickt, und
sie um die Erlaubnis gebeten, ihre Geschichte zu
publizieren. Und dies ist, was sie mir 8 Jahre später dazu
schrieb:
"Das Schlussbild versetzte mich sofort in eine innere
Aufregung. Ich erkenne mich heute darin - das ist Glück.
Meine Lebensqualität hat enorm zugenommen, seit ich mich
bewusst abgrenzen oder eingeben kann. Ich kann mutig und
immer überzeugter meine Freuden und Schmerzen durchleben.
Ich versuche aktiv mein Leben zu gestalten und lasse mich
aber auch gern jeden Tag überraschen. Ich habe anregende
zwischenmenschliche Beziehungen und getraue mich die
anstehenden Auseinandersetzungen zu führen. Als Begleitung
male ich regelmässig im Atelier. Ich bin immer wieder
überwältigt, wie meine Seele ihre Bilder präsentiert und ich
nehme die Eindrücke gerne entgegen. Die Bilder halten mich
lebendig und ermuntern mich meinen Weg zu gehen. Meine
früheren, massiven "Black-Outs" sind bald nur noch
Erinnerung. Ich erkenne manchmal einfach noch Gefahrenzonen
und gestalte Möglichkeiten, aktiv in diese Situationen
reinzugehen."
Mein eigenes Anliegen, meine Motivation, zu diesem Thema zu
schreiben, ist, aufzuzeigen, dass es nichts nützt, ja sogar
schadet, wenn wir unsere Gefühle, unsere Sehnsüchte und das,
was wir wissen, illustrieren. Bilder schaffen ist ein enorm
potentes Mittel, um nonverbales Wissen zu generieren,
sichtbar zu machen, uns hilft Altes zu beenden und Neues in
Angriff zu nehmen. Traditionelle Ansichten, Lernen aus
Erfahrung, Angst vor Neuem verhindern mutige Schritte ins
Neuland. Malen, Bilder schaffen ist ein lebendiges,
unmittelbares und wirksames Mittel, um mit unseren
Qualitäten in Kontakt zu kommen, sie auszudrücken und
glücklich zu werden.
Dr. phil. Bettina Egger, Zürich, Mai 2001
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